1 Zusammenfassung
Im vorliegenden Antrag plädieren die Antragsteller*innen für die Überführung der künftigen Altersvorsorge der Bundestagsabgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung mit Beginn der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Somit würden Abgeordneten des Deutschen Bundestages ab Herbst 2021 auf ihre Abgeordnetenentschädigung (Diäten) Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung in Höhe des halben Beitragssatzes zahlen. Die verbleibende Hälfte (den sogenannten Arbeitgeberanteil) würde der Deutsche Bundestag für die Bundestagsabgeordneten an die jeweiligen Rentenversicherungsträger abführen. Entsprechend würde die gesetzliche Rentenversicherung die Altersversorgung für Bundestagsabgeordnete nach dem Abgeordnetengesetz ersetzen und mit Beginn der 20. Wahlperiode entstünden keine neuen Ansprüche nach altem Recht mehr.
Zudem sollen Bundestagsabgeordnete ab Beginn der 20. Wahlperiode die freiwillige Möglichkeit bekommen, mit einer betrieblichen Altersversorgung über den VBLU (Versorgungsverband bundes-und landesgeförderter Unternehmen e. V.) zusätzlich vorzusorgen.
Außerdem sieht der Antrag vor, die Beitragsbemessungsgrenze zur allgemeinen Rentenversicherung in drei Schritten von 6.900 Euro im Westen und 6.450 Euro im Osten im Jahr 2020 auf 13.800 Euro ab 1. Januar 2023 zu erhöhen. Ab dem 1. Juli 2024 soll eine „Beitragsäquivalenzgrenze“ eingeführt werden, wodurch Renten aus verbeitragten Einkommen, die das 2,07 fache des Durchschnitts überschreiten, im „höchsten verfassungsmäßig zulässigen Maße“ dauerhaft und unbefristet degressiv abgeflacht werden sollen.
2 Gesamtbewertung
Die Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung ist eine langjährige Forderung des SoVD. Sie ist notwendig, um dem wachsenden Schutzbedürfnis vieler Erwerbstätiger Rechnung zu tragen und die damit verbundene Gefahr einer steigenden Altersarmut weitgehend zu vermeiden. Denn die von durchgehender sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung geprägten Erwerbsbiographien sind auf dem Rückzug. Stattdessen nimmt die Zahl der Personen mit unstetigen Erwerbsbiographien zu. Diese sind nicht nur Folge der hohen Arbeitslosigkeit, sondern vielfach auch des Wechsels zwischen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und Formen der sozialversicherungsfreien Erwerbstätigkeit.
Das Solidaritätsprinzip und der Generationenvertrag sind Grundpfeiler der gesetzlichen Rentenversicherung und Basis für das Vertrauen und die Akzeptanz bei Versicherten und Leistungsberechtigten. Durch die solidarische Beteiligung an der Finanzierung der Leistungsansprüche der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Generation erwerben die Versicherten entsprechende Leistungsansprüche gegen die nachfolgende Generation. Mit der Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung wird die Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt.
Die Erwerbstätigenversicherung ist ferner aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit erforderlich. Personen, die sich ausschließlich privat für das Alter absichern, sind mit den Anlagerisiken auf dem Kapitalmarkt konfrontiert und hinsichtlich des Erwerbsminderungsrisikos, der Hinterbliebenenversorgung und bezüglich Rehabilitationsleistungen in der Regel schlechter abgesichert. Mit der Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung kann ein wesentlicher Beitrag für die sozialstaatlich gebotene verlässliche Absicherung aller im Alter geleistet werden. Die Erwerbstätigenversicherung stärkt darüber hinaus die Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung und das Vertrauen in ihre künftige Leistungsfähigkeit.
Das vorrangige Ziel des vorliegenden Antrags, nämlich die Überführung der künftigen Altersvorsorge der Bundestagsabgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung, wird vor diesem Hintergrund als erster Schritt in diese Richtung begrüßt. Auch wenn die Einbeziehung der Bundestagsabgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung sich nur auf einen relativ kleinen Personenkreis auswirkt, besitzt dieses Vorhaben jedoch bedeutende Symbolkraft und könnte der Beginn hin zu einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung sein. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und sozialen Nachhaltigkeit sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz des Rentensystems sollten Bundestagsabgeordnete daher schnellstmöglich in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Darüber hinaus fordert der SoVD neben Bundes-auch Landtagsabgeordnete sowie Beamt*innen, Selbstständige und Beschäftigte in den freien Berufen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Hierfür sind unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grenzen und der Finanzlage der öffentlichen Haushalte ggf. besondere Übergangs-und Vertrauensschutzregelungen zu treffen.
Auch bei einer Erwerbstätigenversicherung sollte am Prinzip der Beitragsbemessungsgrenze festgehalten werden. Eine enorme Anhebung oder sogar Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze hätte die fragwürdige Folge, dass Versicherte mit höheren Einkommen sehr hohe Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben könnten. Dies hätte eine weitere Spreizung der Einkommen im Alter zur Folge. Auch die Orientierung an einer speziellen Berufsgruppe bei der Festlegung der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze, so wie im Antrag vorgeschlagen, sieht der SoVD kritisch.
Gute Rentenpolitik sollte jedoch stets besonnen sein und Zeit haben, entsprechend Wirkung zu entfalten. Daher spricht sich der SoVD zunächst für eine moderate Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze aus. Denkbar wäre das 2,5fache der aktuellen Bezugsgröße – also monatlich 8225 Euro im Westen und 7787,50 Euro im Osten. Dadurch würde der Schutz der Versicherten gestärkt und die individuelle Einkommenslücke beim Eintritt in die Rentenbezugsphase verringert. Durch die Einbeziehung aller Erwerbstätigen und der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze würden der gesetzlichen Rentenversicherung Mehreinnahmen zufließen, denen kurz-und mittelfristig keine bzw. sehr geringe Mehrausgaben gegenüberstünden. Dies würde die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung verbessern und Spielräume für Leistungserhöhungen und die Stabilisierung des Beitragssatzes eröffnen. Vor allem aber ließe sich der finanziellen Mehrbelastung entgegenwirken, die durch den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge Mitte der 2020er Jahre entstehen wird.
Die Einführung einer „Beitragsäquivalenzgrenze“ für Rentenansprüche lehnt der SoVD allerdings ab. Eine derartige Leistungsobergrenze würde einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip bedeuten. Die Beteiligung der nicht beitragspflichtigen Einkommensteile an der Finanzierung von Solidaraufgaben der Rentenversicherung muss über den Bundeszuschuss und damit über eine sozial gerechte Besteuerung erreicht werden.
Berlin, 21. Januar 2021
DER BUNDESVORSTAND Abteilung Sozialpolitik