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Stellungnahme Gesetzentwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung

Armut

SoVD-Stellungnahme Gesetzentwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung und zur Änderung weiterer Bestimmungen: Verbändebeteiligung - Aktualisierung November 2023

1. Zusammenfassung des Gesetzentwurfs

Mit vorliegendem Gesetzentwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung und zur Änderung weiterer Bestimmungen wird geregelt, dass die künftige Kindergrundsicherung aus folgenden wesentlichen Elementen bestehen soll:

  • dem „Kindergarantiebetrag“ analog zum aktuellen Kindergeld
  • dem Kinderzusatzbetrag, der sich zusammensetzt aus:
    • den altersgestaffelten Regelbedarfen nach SGB XII
    • einem pauschalierten monatlichen Bedarf des Kindes für Unterkunft und Heizung
  • und Leistungen für Bildung und Teilhabe.

Die Bundesagentur für Arbeit, konkret der künftige „Familienservice“, soll den Großteil der Kindergrundsicherung administrieren. Beim Bildungs- und Teilhabepaket bleiben neben dem Familienservice für einzelne Leistungen auch die Länder zuständig.

Die Bewilligung über den Kinderzusatzbetrag erfolgt abschließend für einen Zeitraum von sechs Monaten ab Antragsstellung. Die Leistungshöhe wird also im Nachgang nicht mehr angepasst, wenn sich Einkommensverhältnisse verändern. Sollte in dieser Zeit der Bedarf durch die Kindergrundsicherung nicht abgedeckt werden können oder auch Mehr- und/oder Sonderbedarfe in Betracht kommen, ist nicht der Familienservice sondern das Jobcenter oder Sozialamt zuständig.

Die Anspruchsinhaberschaft liegt beim Kinderzusatzbetrag beim Kind und beim Kindergarantiebetrag bei den Eltern. Bei Volljährigkeit kann der Auszahlungsanspruch beim Kindergarantiebetrag aber von den Eltern auf das Kind übergehen. Kindergarantie- und Kinderzusatzbetrag können unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 25. Lebensjahr bezogen werden.

Mit dem Kindergrundsicherungscheck sollen künftig Behörden vorab prüfen und darauf hinweisen können, ob ggf. ein Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag bestehen könnte. Dafür müssen die Mitglieder der Familiengemeinschaft einwilligen, dass die Behörde einen Datenabruf vornimmt, um etwa Entgeltnachweise zu erhalten. Die erhobenen Daten werden jedoch im weiteren Antragsverfahren nicht weiter berücksichtigt. Das heißt, auch wenn der Behörde schon Einkommensdaten vorliegen, dürfen diese nicht bei der Prüfung des tatsächlichen Antrags auf den Kinderzusatzbetrag verwendet werden.

Für das Vorhaben sollen laut Referentenentwurf rund 2,4 Milliarden Euro für 2025 bereitgestellt gestellt werden. Davon entfallen fast ein Viertel der Kosten auf die Verwaltung. 1,88 Milliarden Euro werden etwa für eine höhere Inanspruchnahme im Rahmen der Kindergrundsicherung veranschlagt, sind also auf der Leistungsseite zu verbuchen.

2. Gesamtbewertung SoVD

Auf den ersten drei Seiten des Koalitionsvertrages haben SPD, Grüne und FDP in der Präambel die Einführung einer Kindergrundsicherung zur eigenen Priorität gemacht und das Ziel erklärt, „mehr Kinder aus der Armut [zu] holen“. Man wolle verschiedene Leistungen bündeln, nämlich das Kindergeld, Leistungen nach dem SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sowie den Kinderzuschlag. Die Kindergrundsicherung solle vor allem eine einfache und automatisierte Leistung werden, sowohl bei der Berechnung als auch bei der Auszahlung, und bürokratische Hürden abgebaut werden. Außerdem hat sich die Koalition darauf geeinigt, das kindliche soziokulturelle Existenzminimum neu zu berechnen.

Die Verabredungen im Koalitionsvertrag waren ambitioniert und die Erwartungen in der Zivilgesellschaft hoch. Anfang 2023 wurde ein Eckpunktepapier zur Kindergrundsicherung aus dem federführenden Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bekannt, das der SoVD durchaus positiv bewertete. Aber sehr schnell entfachte sich ein öffentlich ausgetragener Streit innerhalb der Koalition um die Kosten dieser sozialpolitischen Reform.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist Ergebnis dieses Aushandlungsprozesses. Als SoVD begrüßen wir, dass nach monatelangem Ringen um die Kindergrundsicherung eine Einigung gefunden wurde. Vom Ergebnis sind wir dennoch enttäuscht. Wir hatten uns weit mehr versprochen als eine reine Grundsteinlegung für eine Kindergrundsicherung der Zukunft, die mit Ausnahme der beabsichtigten – aus unserer Sicht kritisch zu bewertenden - Einführung eines Kinderchancenportals ab 1. Januar 2029 auch keine weiteren konkreten Schritte beinhaltet, wie der Ausbau hin zu einer armutsfesten echten Kindergrundsicherung künftig gelingen kann.

Die veranschlagten Verwaltungskosten in Höhe von 0,5 Milliarden Euro stehen in einem schlechten Verhältnis zu den verbleibenden 1,88 Milliarden Euro, mit denen etwa die Mehrkosten ausgeglichen werden sollen, die durch eine höhere Inanspruchnahme der Kindergrundsicherung entstehen werden.

Unsere Erwartungen als SoVD und im Bündnis Kindergrundsicherung an eine echte Kindergrundsicherung waren:

  1. Sie bekämpft Kinderarmut effektiv.
  2. Sie stellt Chancengerechtigkeit her.
  3. Sie bündelt umfangreich Leistungen.
  4. Sie wird von einer zentralen Stelle vollständig administriert und die Auszahlung erfolgt möglichst automatisiert

Kinderarmutsbekämpfung

Aus dem Gesetzentwurf geht hervor, dass bei der Berechnung des kindlichen Existenzminimums bei den Verbrauchsausgaben der Familienhaushalte, die die Grundlage für die Bemessung der kindlichen Regelbedarfe bilden, in den Abteilungen 4 (Wohnungsmiete, Energie und Wohnungsinstandhaltung) und 5 (Haushaltsgeräte) Änderungen vorgenommen werden sollen – nämlich bei der Anpassung der Verteilerschlüssel. Mit den Verteilerschlüsseln wird die Art und Weise bestimmt, welchem Haushaltsmitglied welcher Anteil z.B. bei einem Neukauf einer Waschmaschine in den Regelsätzen zugeschrieben wird. Wir hatten uns bei der angekündigten Neudefinition des kindlichen Existenzminimums weit mehr versprochen: Mit der Anpassung der Verteilerschlüssel in einzelnen Abteilungen kann voraussichtlich lediglich der Wegfall des Sofortzuschlags in Höhe von 20 Euro ausglichen werden. Generelle Leistungsverbesserungen über alle Altersgruppen hinweg sind jedoch nicht vorgesehen. Der Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung bleibt entsprechend niedrig. Kinder in armutsbetroffenen Familien mit wenig oder gar keinem Einkommen bleiben im Leistungsbezug also auch weiterhin arm.

Ausgesprochen positiv bewertet der SoVD jedoch, dass Kindes- und Elterneinkommen, das nicht zu eigenen Absicherung benötigt wird, künftig nur noch zu 45 Prozent auf die Leistungen des Zusatzbetrages des Kindes angerechnet werden dürfen (im Bürgergeld werden aktuell 80 bis 100 Prozent angerechnet). Diese Regelung entspricht der aktuellen Praxis beim Kinderzuschlag. Auch für Unterhaltsleistungen gelten die 45 Prozent, sofern sie 500 Euro (Stand: 2023) nicht übersteigen. Davon profitieren also vor allem erwerbstätige Eltern und insbesondere auch Alleinerziehende, denn für sie kann die neue Kindergrundsicherung eine tatsächliche Verbesserung ihrer finanziellen Lage bedeuten – insbesondere da nun die aktuelle Praxis des Kindergeldübertrags beim Kindergarantiebetrag künftig abgeschafft werden soll. Die verbesserte Anrechnungsregelung beim Unterhalt und bei Erwerbseinkünften sollte jedoch auf Erwerbsminderungsrenten ausgeweitet werden. Denn diese Personengruppe kann aus gesundheitlichen Gründen schlichtweg nicht mehr erwerbstätig sein und die Ungleichbehandlung muss aufgehoben werden. Außerdem bedauert der SoVD, dass die im Referentenentwurf vorgesehene vertikale Anrechnung von Einkommen im SGB II im Gesetzentwurf wieder zurückgenommen wurde. 

Chancengerechtigkeit

Unsere Erwartung ist, dass dem Staat jedes Kind gleich viel wert sein muss. Für mehr Chancengerechtigkeit, die auch Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen besserstellt, hätte der Garantiebetrag so hoch ausfallen müssen, wie die maximale Entlastung aus dem steuerlichen Kinderfreibetrag, also aktuell 354 Euro. Aktuell profitieren vom Kinderfreibetrag nämlich nur Familien mit sehr hohen Einkommen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Familien, die höhere Einkommen erzielen, weiterhin in Summe mit fast 100 Euro mehr entlastet werden als Normal- oder Geringverdiener*innen-Familien. Unsere Forderung: Der Kindergarantiebetrag muss für alle Familien der maximalen Entlastungswirkung beim Kinderfreibetrag entsprechen, aktuell also 354 Euro betragen. Dennoch befürworten wir als SoVD, dass bei einem steigenden Kinderfreibetrag auch der Kindergarantiebetrag automatisch angehoben werden muss. 

Bündelung von Leistungen

Auch bei der Bündelung der Einzelleistungen hatten wir uns weit mehr versprochen. Die Teilhabeleistung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket soll nicht pauschal an die Familien ausgezahlt werden, sondern nur mittels eines Antrags mit Nachweispflicht. Der SoVD wird sich im weiteren Gesetzgebungsprozess dafür einsetzen, dass die pauschalierbaren Teile des Bildungs- und Teilhabepakets bei einer Anspruchsberechtigung auf den Kinderzusatzbetrag automatisiert und ohne Nachweispflicht ausgezahlt werden. Nicht nachvollziehbar ist, warum die Kindergrundsicherung nicht auch für Kinder gelten soll, deren Familien Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und dort sogar nun weitere Leistungskürzungen durch den Wegfall des 20-Euro-Sofortzuschlags mit Einführung der Kindergrundsicherung in Kauf nehmen müssen. Hier muss zwingend nachgebessert werden. Als SoVD treten wir dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft entschieden entgegen.

Zentrale Stelle und möglichst automatisierte Auszahlung

Wir begrüßen zwar, dass die Kindergrundsicherung überwiegend vom Familienservice der Bundesagentur für Arbeit administriert werden soll, um möglichen Stigmatisierungen vorzubeugen. Jedoch sollen Familien mit Mehr- oder Sonderbedarfen künftig auch weiterhin von den Jobcentern betreut werden. Auch wenn der Bedarf des Kindes durch die Kindergrundsicherung wegen schwankender Einkommensverhältnisse der Eltern nicht gedeckt werden kann, werden sie weiterhin SGB II- oder SGB XII-Leistungen erhalten und beantragen müssen. Beim Bildungs- und Teilhabepaket sind zu großen Teilen darüber hinaus die Länder zuständig – also eine weitere Anlaufstelle. Als ein Verband, der insbesondere auch die Interessen von Familien mit Kindern mit Behinderung vertritt, ist das zwar aus behördlicher Perspektive vielleicht ein pragmatischer, aber aus Betroffenensicht der völlig falsche Weg. Denn gerade diejenigen, die von einer zentralen Gesamtadministration mit Einführung der Kindergrundsicherung profitieren könnten, sollen sich auch künftig an viele verschiedene Stellen mit ihren Belangen wenden. Der Antragsaufwand wird nicht minimiert – sondern im Gegenteil ggf. sogar höher sein als vorher. Genau das gilt es mit der neuen Kindergrundsicherung auszuschließen, damit alle Belange, die mit der Existenzsicherung von Kindern und Jugendlichen zusammenhängen, nur noch von einer Behörde bearbeitet werden und die Familien allein zeitlich damit deutlich entlastet würden.

Mit dem Kindergrundsicherungscheck soll ein neues Instrument geschaffen werden, das insbesondere verdeckt arme Familien besser erreichen soll. Die Idee ist, dass die Behörde eine Erstprüfung auf eine mögliche Anspruchsberechtigung vornimmt, sofern die Familie dem Datenaustausch zustimmt. Wir beim SoVD verkennen nicht, dass dies bei einer guten Umsetzung ein Fortschritt im Vergleich zum bestehenden System wäre. Jedoch muss auch hier eine Kosten-Nutzen-Abwägung erfolgen. Denn die Ergebnisse des Kindergrundsicherungschecks sollen aktuell nur der Beratung dienen und haben für das weitere Antragsverfahren keinerlei Auswirkungen. Die gewonnenen Daten können also nicht berücksichtigt werden. Denkbar ist in Ergänzung auch ein Online-Rechner, den die Familien selbst nutzen können. Das wäre vor allem für Familien ein Mehrgewinn, die dem Datenzugriff nicht zustimmen wollen. Für den SoVD gehört die Stärkung der sozialen Infrastruktur unweigerlich zu einer guten Kindergrundsicherung dazu. Denn nur wer sein Kind gut betreut und gefördert weiß – und zwar im Ganztag -, kann überhaupt erwerbstätig sein. Zwar ist im Einigungspapier der Koalitionäre festgehalten, dass das Gute-Kita-Gesetz in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards überführt und die finanzielle Unterstützung des Bundes über 2024 hinaus fortgesetzt werden soll, aber damit allein ist es nicht getan. Wir brauchen sowohl eine nachhaltige Verbesserung der Qualität und Quantität der Betreuung in Kitas und Schulen. Nur so kann es gelingen, allen Kindern die gleichen Startchancen zu ermöglichen und gleichzeitig den Eltern zu ermöglichen, erwerbstätig zu sein. Und wir benötigen bedarfsgerechte Angebote etwa auch für Eltern, die in Schichtarbeit außerhalb der „üblichen“ Zeiten Betreuungsbedarf haben. Um den Kita-Fachkräftemangel zu beheben, brauchen wir bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung sozialer Berufe. Nur so lässt sich neues Fachpersonal gewinnen und Fachkräfte bleiben in ihrem gelernten Beruf, kehren dahin zurück oder stocken ihre Stunden auf. Außerdem muss es langfristiges Ziel sein, den Personal-Kind-Schlüssel zu verändern. Mehr Personal auf weniger Kinder bedeutet individuelleres Eingehen auf die Entwicklung des einzelnen Kindes und somit, im Sinne der Chancengleichheit, bessere Bildung für alle. Und nicht zuletzt brauchen wir einen armutsfesten Mindestlohn, damit Familien nicht in Notlagen geraten und von ihrem Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag gar nicht erst Gebrauch machen müssen.

Das DIW wies noch im August 2023 auf die hohen Folgekosten hin, die Kinderarmut verursacht. Mit bis zu 120 Milliarden Euro müsse man rechnen, wenn Kinderarmut heute nicht entschieden bekämpft würde. Insgesamt muss der SoVD jedoch festhalten: Kinderarmut wird mit dieser Reform nicht verhindert. Und diese Kindergrundsicherung erfüllt auch nicht unsere Erwartungen an eine Kindergrundsicherung, die es Familien leichter macht und Chancengerechtigkeit herstellt.

Zu den einzelnen Regelungen

Kindergarantiebetrag

Artikel 1 § 3 – 8, 35, 36; Artikel 5 § 74

Der Kindergarantiebetrag soll künftig das aktuell geltende Kindergeld ersetzen. Die Anspruchsinhaberschaft wird bis zum 18. Lebensjahr bei den Eltern liegen. Im Anschluss geht der Auszahlungsanspruch auf das volljährige Kind über, wenn es diesen begehrt. Es gibt jedoch eine Ausnahme: In Fällen volljähriger Kinder mit Behinderung sollen weiterhin die betroffenen Eltern den Kindergarantiebetrag erhalten. Familien, die Kinderfreibeträge geltend machen können, weil sie über ein hohes Einkommen verfügen, erhalten den Kindergarantiebetrag nicht. Der Kindergarantiebetrag kann unter bestimmten Voraussetzungen auch bis zum 25. Lebensjahr und darüber hinaus bezogen werden. Letzteres gilt, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung der eigene Lebensunterhalt nicht bestritten werden kann und die Behinderung vor dem 25. Lebensjahr eingetreten ist. Werden die Freibeträge für Kinder nach § 31 Satz 1 in Verbindung mit § 32 Absatz 6 Satz 1 des Einkommenssteuergesetzes angehoben, wird der Kindergarantiebetrag entsprechend erhöht.

SoVD-Bewertung: Wir finden: Dem Staat sollte jedes Kind gleich viel wert sein. Derzeit erhalten Normalverdiener*innen-Familien das Kindergeld in Höhe von aktuell 250 Euro pro Monat. Erzielt eine Familie jedoch ein sehr hohes Einkommen, können Kinderfreibeträge bei der Steuer geltend gemacht werden. Die maximale Entlastung liegt dann aktuell bei 354 Euro – also insgesamt 100 Euro mehr. Diese Ungleichbehandlung ist nicht hinnehmbar, auch wenn der SoVD begrüßt, dass im Gesetzentwurf nun vorgesehen ist, dass der Kindergarantie automatisch auch angehoben wird, wenn die Kinderfreibeträge steigen. Als SoVD fordern wir daher gemeinsam mit dem Bündnis Kindergrundsicherung, dass der Kindergarantiebetrag angehoben werden muss, nämlich auf die Höhe der maximalen Entlastungswirkung bei den Kinderfreibeträgen. Damit würden Familien mit durchschnittlichen Einkommen, aber auch Familien, deren Eltern zu Niedriglöhnen arbeiten, von der Kindergrundsicherung deutlich profitieren, die Akzeptanz der Reform und der damit verbundenen Kosten in der Bevölkerung gesteigert und nicht zuletzt vor allem mehr Chancengerechtigkeit hergestellt. Wir begrüßen, dass der Auszahlungsanspruch bei Volljährigkeit auf das Kind übergehen kann. Das stärkt die rechtliche Position der jungen Erwachsenen, verringert womöglich familiäre Auseinandersetzungen und fördert ihre Eigenständigkeit für ein selbstbestimmtes Leben.

Menschen mit Behinderungen und hohem Unterstützungsbedarf können häufig keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und sind dauerhaft erwerbsgemindert. Sie haben daher einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Aktuell können Eltern von der betroffenen Personengruppe auch über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld beziehen. Damit ist sichergestellt, dass dieses im SGB XII nicht bedarfsmindernd angerechnet wird und somit eine große Ausgleichsfunktion sichergestellt wurde. Im Gesetzentwurf wurde mit der Ausnahmeregelung beim Zahlungsanspruch des Kindergarantiebetrags für Menschen mit Behinderungen ab dem 18. Lebensjahr, die ihren Lebensunterhalt selbst nicht sicherstellen können, eine pragmatische Lösung für das Problem in der künftigen Kindergrundsicherung geschaffen, sodass dieser Personengruppe auch künftig keine Nachteile entstehen.

Kinderzusatzbetrag

Artikel 1 § 9 – 15; Artikel 7 § 22 Absatz 1a und 7 SGB II-neu; Artikel 12 § 30 Absatz 7 und § 35 Absatz 1 SGB XII-neu

Die Anspruchsberechtigung des Kinderzusatzbetrages liegt beim Kind. Ein Anspruch besteht nur dann, wenn zumutbare Anstrengungen unternommen wurden, die Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen (z.B. Unterhalt, Unterhaltsvorschuss, Waisenrente, Berufsausbildungsbeihilfe etc.).

Mit dem Kinderzusatzbetrag soll das kindliche Existenzminimum sichergestellt werden. Der maximale Kinderzusatzbetrag mindert sich, wenn Einkommen und/oder (erhebliches) Vermögen vorhanden sind (dazu mehr weiter unten in „Einkommen“ und „Vermögen“).

Der Kinderzusatzbetrag kann bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ausgezahlt werden – Voraussetzung ist, dass auch der Kindergarantiebetrag bezogen wird und das volljährige Kind noch bei seinen Eltern bzw. in der Familiengemeinschaft lebt. Ist ein Kind volljährig und nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII leistungsberechtigt, kann kein Kinderzusatzbetrag mehr bezogen werden.

Der Kinderzusatzbetrag umfasst:

  • den (altersgestaffelten) Regelbedarf des Kindes,
  • einen pauschalierten Bedarf des Kindes für Unterkunft und Heizung in Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des Kindes.

Die aktuell gültige Altersstaffelung bei den kindlichen Regelbedarfen nach dem SGB XII wird für den Kinderzusatzbetrag übernommen.

Durch die Einführung einer Wohnkostenpauschale in der Kindergrundsicherung wird die Aufteilung der anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auf die Mitglieder der Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft im SGB II und SGB XII neu geregelt (§ 22 Absatz 1a und 7 SGB II-neu sowie § 30 Absatz 7 und § 35 Absatz 1 SGB XII-neu). Die verbleibenden Kosten der anerkannten Aufwendungen des Gesamthaushalts werden entweder bei dem alleinerziehenden Elternteil voll oder bei den Eltern jeweils zur Hälfte anerkannt. § 22 Absatz 7 SGB II-neu regelt außerdem, dass das Amt auch weiterhin die vollständige Miete an den*die Vermieter*in direkt überweisen kann (inklusive Wohnkostenpauschale, die im Rahmen der Kindergrundsicherung gewährt wird). Die Regelsätze werden dann entsprechend (um die im Rahmen der Kindergrundsicherung bereits ausgezahlten Wohnkostenpauschale pro Kind) gemindert. Das kann auf Antrag der leistungsberechtigten Person erfolgen oder aber auch unter bestimmten Voraussetzungen von den Ämtern auch angeordnet werden, z.B. bei Mietrückständen.

SoVD-Bewertung: Die Mindesteinkommensgrenze, wie sie aktuell beim Kinderzuschlag gilt, soll künftig entfallen, damit auch Kinder, deren Eltern ein niedriges Einkommen haben, Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag haben. Das begrüßen wir.

Der Kinderzusatzbetrag soll also künftig verschiedene Leistungen bündeln: Nämlich den Kinderzuschlag und auch existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Kinder und Familien, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für ihre Kinder beziehen, haben jedoch keinen Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag. Aus Sicht des SoVD muss hier dringend nachgebessert werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Kinder und Familien von der künftigen Kindergrundsicherung ausgeschlossen werden sollen und darüber hinaus sogar durch den beabsichtigten wegfallenden Sofortzuschlag von monatlich 20 Euro pro Kind sogar Verschlechterungen werden in Kauf nehmen müssen. Für sie kostet soziale Teilhabe und ein Leben in Deutschland genauso viel wie für alle anderen Familien in Deutschland auch.

Leben Ü-18-Jährige in der Familiengemeinschaft und erhalten den Kindergarantiebetrag, kann auch der Kinderzusatzbetrag weiterhin bezogen werden, d.h. sie würden nicht automatisch in den SGB II-Bezug rutschen, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Da der Bezug von Bürgergeld-Leistungen von Betroffenen nach wie vor häufig als stigmatisierend empfunden wird, begrüßen wir das ausdrücklich. Anders verhält es sich bei 18-Jährigen, die leistungsberechtigt nach dem SGB XII sind. Denn dann sind SGB XII-Leistungen vorrangig vor der Kindergrundsicherung. Tatsächlich ist das für diesen Personenkreis eine günstigere Regelung, da sich das Einkommen der Eltern im SGB XII anders als beim Kinderzusatzbetrag nicht reduzierend auf den Leistungsanspruch auswirkt. Außerdem gilt für die Volljährigen dann Regelbedarfsstufe 1.

Dass künftig eine Wohnkostenpauschale in Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des Kindes mit dem Zusatzbetrag ausgezahlt werden soll (Artikel 1 § 11) hält der SoVD für sachgemäß. Mehrbedarfe bei überdurchschnittlichen Wohnkosten, z.B. auch bei getrenntlebenden Elternteilen, die beide ein Kinderzimmer zur Verfügung stellen, müssen jedoch künftig auch bei den Ansprüchen der Eltern geltend gemacht werden können.

Für temporäre Bedarfsgemeinschaften, also Kinder die im Wechselmodell betreut werden, wird der Kinderzusatzbetrag entsprechend der elterlichen Betreuungsanteile aufzuteilen sein. Die Aufteilung geht jedoch nicht mit Leistungsverbesserungen einher, die im Falle von getrenntlebenden Eltern, die sich die Betreuung teilen, aber nötig wären, um den höheren Bedarf des Kindes zu decken.

Als SoVD regen wir an, § 22 Absatz 7 zu überarbeiten. In dem Paragrafen ist aktuell nicht nur vorgesehen, dass die Ämter die Miete an den*die Vermieter*in nur dann direkt überweist, wenn die Leistungsberechtigten dies beantragen. Die Ämter können dies auch tun, wenn z.B. Mietrückstände bestehen. Hier ergibt sich nun folgende Problematik: Mit der Einführung der Wohnkostenpauschale in der Kindergrundsicherung würde sich in jedem Fall bei Familien ein im Vergleich zur tatsächlichen Miete verringerter Betrag für die Anerkennung des Bedarfs der in der Bedarfsgemeinschaft verbleibenden Mitglieder ergeben. Das Amt soll weiterhin die volle Miete überweisen können – auch ohne Zustimmung der Leistungsberechtigten. Es soll nun neu geregelt werden, dass die Bürgergeld-Regelbedarfe die direkt an den Leistungsberechtigten gehen, um den Betrag der Wohnkostenpauschale der Kinder gemindert werden. Es ist jedoch nicht sichergestellt, dass die Auszahlung der Kindergrundsicherungs-Leistungen und der Leistungen nach dem SGB II und SGB XII zeitlich parallel laufen. Die Bewilligungszeiträume wären laut aktuellem Stand bei der Kindergrundsicherung und im SGB II und SGB XII jeweils unterschiedlich. Somit besteht die Gefahr einer Unterdeckung der Bedarfe. Außerdem müsste bei den Leistungsberechtigten sichergestellt werden, dass sie im Vorfeld hinreichend informiert werden, warum ihre Regelsätze künftig um den Betrag der Wohnkostenpauschale des Kindes gemindert werden. Als SoVD möchten wir folgendes anregen: Leistungsberechtigten nach SGB II oder SGB XII, die auch Kindergrundsicherungsleistungen und über den Kinderzusatzbetrag auch eine Wohnkostenpauschale für ihr Kind oder ihre Kinder beziehen, die Möglichkeit haben, auf Antrag beim für ihre Existenzsicherung zuständigen Amt auf die direkte Auszahlung der Wohnkostenpauschale ihres Kindes verzichten zu können. Auf diese Weise läge die Verantwortung bei den Behörden, dass der Familienservice dem Jobcenter oder dem Grundsicherungsamt die Wohnkostenpauschale direkt auszahlt, sodass dieses die vollständige Miete an den Vermietenden auszahlen kann, ohne die Regelbedarfe zu mindern. Denn auch das würde der SoVD als Bringschuld des Staates verstehen. Hierbei wäre auch entsprechend zu beachten, dass die Ämter, die SGB II und SGB XII-Leistungen administrieren, entsprechend verpflichtend über diese Möglichkeit beraten.

Neudefinition kindliches Existenzminimum und Wegfall des Sofortzuschlags

Artikel 14 § 10; Artikel 7 § 72 SGB II-neu; Artikel 12 § 145 SGB XII-neu

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz soll angepasst werden. Aus dem Gesetzentwurf geht hervor, dass in den Abteilungen 4 „Wohnungsmieten, Energie und Wohnungsinstandhaltung“ und 5 „Innenausstattung, Haushaltsgeräte und –gegenstände, laufende Haushaltsführung“ Modifikationen vorgenommen werden sollen. Konkrete Zahlen werden noch nicht genannt.

Artikel 7 regelt in § 72 SGB II-neu und Artikel 12 § 145 SGB XII-neu den Wegfall des Sofortzuschlags, der mit Einführung der Kindergrundsicherung entfallen soll.

SoVD-Bewertung: Der Sofortzuschlag für Kinder und Jugendliche in der Grundsicherung wurde eingeführt, um Leistungsverbesserungen bis zur Einführung der neuen Kindergrundsicherung kurzfristig zu schaffen. Die Abschaffung des Sofortzuschlags wäre folgerichtig, wenn das kindliche Existenzminimum tatsächlich grundsätzlich neu definiert würde. Nun sollen jedoch nur geringfügige Modifizierungen in der Berechnungsweise der Regelbedarfe vollzogen werden, um den Wegfall des Sofortzuschlags auszugleichen. Die seinerzeit politisch gesetzten 20 Euro mehr pro Kind pro Monat in der Grundsicherung werden nun als Maßstab dessen genutzt, wie hoch der künftige Kinderzusatzbetrag ausfallen soll. Einzelne Personengruppen werden voraussichtlich von der Überarbeitung der Verteilerschlüssel zur Ermittlung der Regelsätze profitieren, so z.B. Fünfjährige, die laut Berechnungen des BMFSFJ im Vergleich zum Ist-Zustand aktuell 8 Euro mehr bekommen würden. In bestimmten Altersgruppen sollen auch Familien bessergestellt werden, die momentan den Kinderzuschlag beziehen. Grundsätzliche Leistungsverbesserungen für alle sind jedoch nicht vorgesehen. Das heißt konkret: Abgesehen von Familien, die aktuell in verdeckter Armut leben, weil sie bestimmte Leistungen nicht abrufen, und perspektivisch von der neuen Kindergrundsicherung besser erreicht werden, bleibt es für den Großteil der Familien beim Ist-Zustand. Arme Familien bleiben arm. Die Kindergrundsicherung ist damit nicht in der Lage, Kinderarmut effektiv zu bekämpfen.

Aus Sicht des SoVD muss eine echte Neudefinition des kindlichen Existenzminimums sehr viel weiter reichen als die konsentierten Modifikationen. Die Grundlage für die Bestimmung der Regelbedarfe bilden die sogenannten Referenzhaushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Nun soll die Art und Weise angepasst werden, wie bestimmte Ausgaben der Referenzhaushalte auf die einzelnen Haushaltsmitglieder verteilt werden. Die sogenannten Verteilerschlüssel wurden seit 20 Jahren nicht mehr überarbeitet. Das soll in den Abteilungen 4 und 5 geändert werden. Das heißt für die Abteilung 5 z.B. konkret, dass der kindliche Anteil an den Anschaffungskosten für eine Waschmaschine im Haushalt stärker berücksichtigt werden soll, weil Familien mit Kindern einen höheren Verbrauch/Verschleiß haben, als Alleinstehende oder Paarhaushalte. Das ist aus Sicht des SoVD zwar begrüßenswert aber es ergeben sich zwei grundlegende Probleme: Von der Anpassung dieser Verteilerschlüssel haben Kinder, die Asylbewerberleistungen erhalten, nichts, da ihnen nur ein geminderter Regelbedarf zur Verfügung steht und die Ausgaben aus diesen Abteilungen gar nicht als nicht regelbedarfsrelevant nach dem AsylbLG anerkannt werden. Sie erhalten also weder die Kindergrundsicherung, noch profitieren sie von der Anpassung bei den Regelbedarfen. Und ganz grundsätzlich kann man bei einer Anpassung der Verteilerschlüssel in einzelnen Abteilungen nicht von einer grundsätzlichen Neudefinition des kindlichen Existenzminimums sprechen. Darüber hinaus wären auch weitere Schritte erforderlich:

Für eine echte Neudefinition wäre eine stärkere Orientierung an der Mitte der Gesellschaft nötig gewesen. Das heißt konkret, die Referenzhaushalte in der EVS hätten neu bestimmt werden müssen. Aktuell bilden Familienhaushalte mit einem Kind im unteren Einkommensbereich (untere 20 Prozent) die Grundlage für die Bestimmung der kindlichen Regelbedarfe. Damit werden bei den kindlichen Bedarfen die Ausgaben von Familien in prekären Lagen abgebildet. Auch verdeckt arme Familien (keine Leistungsinanspruchnahme trotz Leistungsanspruch) und Aufstocker*innen-Haushalte, also Familien, die trotz Erwerbstätigkeit auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, bilden u.a. die Referenzgruppe. Ein weiteres Problem sind die mitunter extrem niedrigen Fallzahlen, auf Grundlage derer die kindlichen Bedarfe für alle Kinder in der Grundsicherung berechnet werden.

Aus Sicht des SoVD wäre besonders vordringlich gewesen, die politischen Streichungen, die im zweiten Schritt nach der statistischen Erfassung der Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte von der Bundesregierung vorgenommen werden, endlich zurückzunehmen. Denn sie mindern die Regelbedarfe der Kinder bedeutend. Berechnungen der Diakonie zufolge, sind das im Schnitt ca. 83 Euro, die fehlen. Außerdem sind Kinder und Jugendliche bei der Ermittlung der Regelbedarfe zu beteiligen, etwa durch ergänzende Befragungen.

Einkommen

Artikel 1 § 2 Absatz 2, § 12, § 13, 14, 15

In der Kindergrundsicherung wird die Einkommensdefinition aus dem SGB II übernommen. Einkommen des Kindes wird zu 45 Prozent auf den Kinderzusatzbetrag angerechnet. Das entspricht der aktuellen Regelung des Kinderzuschlags. Bei Unterhaltsleistungen gilt jedoch eine spezifische Regelung: Überschreiten die an das Kind geleisteten Unterhaltszahlungen die Grenze des monatlichen Mindestunterhalts für ein Kind der zweiten Altersstufe nach der Düsseldorfer Tabelle (aktuell 500 Euro), wird das Einkommen zu 55 Prozent, bei einer 1,5-fachen Überschreitung (aktuell 750 Euro) zu 65 Prozent und bei einer zweifachen Überschreitung (aktuell 1000 Euro) zu 75 Prozent berücksichtigt.

Von den Eltern wird solches Einkommen beim Kind berücksichtigt, das den monatlichen Gesamtbedarf der Eltern übersteigt. Erwerbseinkünfte werden – wie im aktuellen Kinderzuschlag auch – zu 45 Prozent berücksichtigt.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt, dass bei der Einkommensberücksichtigung für den Kinderzusatzbetrag die Regelung vom aktuellen Kinderzuschlag übernommen wurde. Hiervon können z.B. Alleinerziehende profitieren, die trotz Erwerbstätigkeit aktuell auf Bürgergeldleistungen angewiesen sind. Dort gilt aktuell eine Anrechnung von Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss von 100 Prozent. Wir regen jedoch beim SoVD an, die 45-pozentige Anrechnung nicht nur für Erwerbseinkünfte vorzusehen. In Deutschland beziehen aktuell 1,8 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente und haben mitunter keine Möglichkeit, Erwerbseinkünfte zu erzielen. Für sie oder auch für Menschen, die Krankengeld erhalten, sollte die neue Anrechnungsregelung ebenfalls gelten.   

Um den Verwaltungsaufwand möglichst gering und einfach zu halten, wäre aus Sicht des SoVD folgerichtig, bei der aktuellen Regelung nach dem Kinderzuschlag zu bleiben und mit einer Anrechnung von 45 Prozent pauschal zu rechnen. Wir begrüßen aber, dass im Gesetzentwurf das 3-Stufen-Modell nun immerhin dynamisiert wurde.

Vermögen

Artikel 1 § 2 Absatz 3, § 12 – 14

Beim Zusatzbetrag soll nur gemäß § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch solches Vermögen des Kindes und der Eltern berücksichtigt werden, das erheblich ist. Das sind aktuell 40.000 Euro für den Antragstellenden und 15.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt. Diese Regelung beim Kinderzusatzbetrag ist äquivalent mit der Regelung des aktuell geltenden Kinderzuschlags. Übersteigt das Vermögen die zulässigen Grenzen, mindert sich der Kinderzusatzbetrag entsprechend und der Anspruch entfällt mitunter.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt, dass nur erhebliches Vermögen künftig berücksichtigt werden soll und damit die aktuelle Regelung vom Kinderzuschlag auf den Kinderzusatzbetrag übertragen werden soll. Eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung von erheblichem Vermögen, wie im SGB II (die Karenzzeit beträgt ein Jahr), findet damit in der Kindergrundsicherung keine Anwendung. Das begrüßt der SoVD. Sollten Kinder z.B. geerbt haben, so wäre nicht nachvollziehbar, warum ihr Vermögen aufgrund von nicht ausreichendem Einkommen für die Lebenssicherung unmittelbar verausgabt werden soll. Denn dieses Vermögen kann den Kindern aus einkommensarmen Familien zu einem späteren Zeitpunkt helfen, Chancen wahrnehmen zu können, die ihnen sonst verwehrt blieben.

Unterhaltsvorschuss

Artikel 2 § 1

Der Unterhaltsvorschuss wird künftig bis zum Schuleintritt ohne Mindesteinkommensgrenze gezahlt. Kinder ab Schuleintritt des Kindes gilt eine Mindesteinkommensgrenze von 600 Euro.

SoVD-Bewertung: Der SoVD bewertet es kritisch, dass der Unterhaltsvorschuss für Kinder ab Schuleintritt an ein Mindesteinkommen von 600 Euro des Elternteils geknüpft werden soll verbunden mit dem Argument, Erwerbsanreize setzen zu wollen. Diese neue Regelung hält der SoVD technisch für äußert problematisch. Denn wenn eine alleinerziehende Mutter mehr als ein Kind hat und diese unterschiedlich alt sind, so wäre sie für den Erhalt des Unterhaltsvorschusses verpflichtet erwerbstätig zu sein, wenn eines ihrer Kinder im schulpflichtigen Alter ist. Das ist nicht hinnehmbar, denn eine fehlende Betreuungsmöglichkeit des kleineren Geschwisterkindes macht dann eine Erwerbstätigkeit mitunter unmöglich. Hier muss nachgebessert werden.

Vor allem aber zeichnet diese Regelung ein völlig falsches und vor allem stigmatisierendes Bild von Alleinerziehenden. 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Viele von ihnen befinden sich in prekären Lebenslagen. Mit 42 Prozent tragen Alleinerziehende und ihre Kinder das höchste Armutsrisiko aller Haushaltstypen. Diese Zahl stagniert, obwohl ihre Erwerbstätigkeit steigt. Alleinerziehende Mütter sind häufiger erwerbstätig als andere Mütter und das obwohl sie umfassend Sorgearbeit leisten müssen und ihnen viel weniger zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen.

Elternarmut zu bekämpfen, heißt auch Kinderarmut zu bekämpfen – dahinter steht auch der SoVD voll und ganz. Aber Erwerbsanreize allein reichen dafür nicht aus. Denn um auch arbeiten zu können, müssen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen.[1]Alleinerziehende kommen täglich an ihre Grenzen, Beruf, Kinder und Haushalt zu vereinbaren. Diese Vereinbarkeit muss für Alleinerziehende weiter verbessert werden. Dazu gehört zum einen ein umfassendes Rückkehrrecht auf Vollzeitarbeit für diejenigen, die wegen der Kinderbetreuung vorübergehend in Teilzeit arbeiten müssen. Zum anderen muss die Lohnlücke von im Durchschnitt 18 Prozent zwischen Frauen und Männern geschlossen werden. Der SoVD fordert daher eine Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes zu einem wirkungsvollen Lohngerechtigkeitsgesetz. Darüber hinaus ist der flächendeckende und qualitative Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur von der Krippe bis zur Schule Voraussetzung, um einer Berufstätigkeit überhaupt nachgehen zu können. Dazu gehört der Ausbau von guter ganztägiger Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur sowie flexible und kostenlose Betreuungsangebote in den Randzeiten. Notwendig sind flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sowie Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung. Das Ziel muss eine auskömmliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Alleinerziehenden sein (u. a. Minijobs begrenzen, Bezahlungen in typischen Frauenberufen verbessern, Mindestlohn erhöhen).

Und wenn es um darum geht Erwerbsanreize setzen zu wollen, fordern wir den Gesetzgeber auf, endlich das Ehegattensplitting für künftige Ehen abzuschaffen. Je größer der Einkommensunterschied und je höher das Einkommen, desto mehr Steuern können verheiratete Paare mit dem Ehegattensplitting sparen. Das Splitting fördert einseitig einkommensstarke Einverdiener-Ehen unabhängig von der Kinderzahl: Die Steuervorteile führen dazu, dass sich viele Ehepaare entscheiden, dass meist die Frau ihre Erwerbstätigkeit deutlich zurückfährt – häufig in Form eines Minijobs – und stattdessen mehr Zeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuung verbringt. Vielen Frauen fällt diese Entscheidung später auf die Füße. Ihr geringer Erwerbsumfang führt zu niedrigen eigenen Einkommen und Rentenansprüchen. Die überproportional hohe Besteuerung in der Steuerklasse V führt zu Einbußen bei der Berechnung von Lohnersatzleistungen (zum Beispiel Elterngeld, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kurzarbeitsgeld) auf Grundlage des Nettoeinkommens. Im Falle einer Scheidung verlangt das Unterhaltsrecht, dass beide Geschiedene umgehend ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Das Ehegattensplitting verhindert eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen.

Bildungs- und Teilhabepaket und Kinderchancenportal

Artikel 1 § 20 – 26, 32, 37

Für die Teilhabe am soziokulturellen Leben sollen Leistungsberechtigte des Kinderzusatzbetrages künftig 15 Euro pauschal als Geldleistung erhalten. Es gilt eine Nachweispflicht, aber der Teilhabebetrag steht auch dann in voller Höhe zu, wenn die entstandenen Aufwendungen im Einzelfall geringer waren. Entscheidend ist, dass am sozialen und kulturellen Leben zum Beispiel durch die Mitgliedschaft in einem Sportverein teilgenommen wird und tatsächlich Aufwendungen entstanden sind. Die Teilhabe-Leistung wird auf Antrag gewährt. Der Antrag auf den Kinderzusatzbetrag gilt zugleich als Antrag auf den Teilhabebetrag und das halbjährlich zustehende Schulbedarfspaket. Beim Schulbedarfspaket gilt künftig keine Nachweispflicht mehr. Leistungen für Bildung und Teilhabe werden rückwirkend für die letzten zwölf Monate gezahlt. In § 21 Absatz 1 Satz 3 wird nun außerdem geregelt, dass bis zum 1. Januar 2029 ein Kinderchancenportal in Betrieb genommen werden soll. Anders als bisher erfolgt die Auszahlung nicht zum 1. des Monats, sondern im Laufe des jeweiligen Bewilligungsmonats, der in den August oder den Februar fällt, um eine Auszahlung der Leistung mit dem Kinderzusatzbetrag in den betreffenden Bewilligungsmonaten zu ermöglichen.

SoVD-Bewertung: Der SoVD ist enttäuscht, dass bei der künftigen Kindergrundsicherung – auch bei den pauschalierbaren Teilen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) – ein Antrag mit Nachweispflicht für den Teilhabebetrag nötig sein wird. Wir begrüßen zwar, dass die Teilhabeleistung künftig bis zur Einführung des Kinderchancenportals als Geldleistung erbracht und darüber hinaus das Teilhabegeld sowie das Schulbedarfspaket beim Antrag auf den Kinderzusatzbetrag automatisch mitbeantragt werden soll, jedoch bleibt das Problem bestehen, dass Familien für die Teilhabe ihrer Kinder in Vorleistungen gehen müssen. Mitunter fehlen ihnen aber schlichtweg die Mittel, um den Mitgliederbeitrag im Voraus zu bezahlen.

Dass die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket rückwirkend für die letzten 12 Monate gezahlt werden, begrüßen wir als SoVD ausdrücklich. Aber gleichzeitig fehlt hier eine Regelung, wie im Falle von fehlenden Nachweisen über die Teilhabeausgaben verfahren werden soll. Es darf auf keinen Fall dazu kommen, dass die zuständigen Stellen den Teilhabebetrag rückfordern können. Familien haben mit dem Geld fest geplant und Teilhabe kann auch auf anderem Wege als einer Mitgliedschaft in einem Verein erfolgen, aber schlechter nachweisbar sein. Hinzu kommt, dass nicht jede Kommune den Kindern Möglichkeiten zur Teilhabe eröffnet. Oft gibt es für Kinder schlichtweg keinen Fußballverein, der für sie gut erreichbar wäre. Als SoVD plädieren wir daher für eine pauschale Auszahlung des Teilhabebetrags ohne Nachweispflicht. Das würde auch die Verwaltungen deutlich entlasten. Im Gesetzentwurf sind knapp 15 Millionen Euro Bürokratiekosten für die Administration des Bildungs- und Teilhabepakets vorgesehen. Hier ließe sich viel Geld sparen, wenn auf eine Prüfung beim Teilhabebetrag verzichtet würde.

Ein weiteres Problem: 15 Euro sind aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß und viel zu niedrig angesetzt. Es müsste neu bemessen werden, wie viel Familien in der Mitte der Gesellschaft im Schnitt für die Teilhabe ihrer Kinder ausgeben, um einen adäquaten Betrag bestimmen zu können. Bei der Auszahlung des Schulbedarfspakets regen wir als SoVD an, dieses noch vor Beginn des (Halb-)Schuljahres auszuzahlen. Die Sommerferien fallen je nach Bundesland in einen unterschiedlichen Zeitraum und meistens entsteht der Bedarf für die Anschaffung von Schulmaterialien bereits in den Ferien. Insofern müsste das Schulbedarfspaket spätestens im Juli und Januar ausgezahlt werden und für solche Familien, die erst im darauffolgenden Monat entsprechende Leistungen beziehen (also August/Februar) ebenfalls noch eine Auszahlung des Schulbedarfspakets ermöglicht werden.

Ebenfalls kritisch sieht der SoVD, dass die Bewilligung und Auszahlung des Teilhabebetrages an einen Nachweis über eine Mitgliedschaft oder Ähnliches geknüpft wird. Teilhabe heißt auch, Geld für einen Zoobesuch mit Freund*innen zu haben. Aber eine Garantie, dass das als Teilhabe von den Ämtern anerkannt wird, haben Betroffene aktuell nicht. Daher betont der SoVD an dieser Stelle noch einmal, dass auf die Nachweis- und die Antragspflicht gänzlich hätte verzichtet werden müssen.

Richtig und wichtig finden wir beim SoVD, dass die pauschalierbaren Teile des BuTs gesondert zum Kinderzusatzbetrag gewährt werden sollen. Wer also Anspruch auf den Zusatzbetrag hat, kann die 15 Euro Teilhabeleistung, unabhängig davon wie hoch der Zusatzbetrag ausfällt, in Anspruch nehmen. Das gilt auch für Kinder aus Wohngeldhaushalten und auch für Kinder und Jugendliche, die z.B. aufgrund von kurzfristig veränderten Einkommensverhältnissen Anspruch auf Bürgergeld- oder Grundsicherungsleistungen erhalten.

Der pauschale Teilhabebetrag soll langfristig von einem Kinderchancenportal abgelöst werden, das die unbürokratische und digitale Buchung und Bezahlung von Aktivitäten zur sozialen und kulturellen Teilhabe ermöglicht. Aus Sicht des SoVD ist zwar hilfreich, wenn Behörden transparenter auf vorhandene Teilhabemöglichkeiten vor Ort hinweisen, allerdings ist mit der Einführung und der Instandhaltung eines Kinderchancenportals auch ein immenser Verwaltungskostenaufwand verbunden. Darüber hinaus müssten in einem solchen Portal, in dem alle Teilhabeleistungen unmittelbar gebucht werden sollen, ausnahmslose alle Teilhabemöglichkeiten vor Ort erfasst werden. Das scheint wenig praktikabel. Ein Chancenportal, das nicht nur ergänzend etabliert wird, bewertet der SoVD daher kritisch.

Kindergrundsicherungscheck

Artikel 1 § 43 – 51

Mit dem Kindergrundsicherungscheck soll der Familienservice eine elektronische Vorprüfung vornehmen, wenn eine teilnahmefähige Person diesen begehrt und eine Einwilligung über den Datenabruf erfolgt. Das Einverständnis gilt dann für zwei Jahre und kann jederzeit widerrufen werden. Ziel des Kindergrundsicherungschecks ist es, Familien besser beraten zu können. Es soll ermittelt werden, ob ein Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag bestehen könnte, um die Inanspruchnahme des Kinderzusatzbetrages im Vergleich zu den aktuellen Leistungen (Bürgergeld, Grundsicherung, Kinderzuschlag) zu verbessern. Es müssen nicht alle Familiengemeinschafts-Mitglieder in den Kindergrundsicherungscheck einwilligen, um ihn durchführen lassen zu können. In dem Fall werden nur die Daten von der Person, die eingewilligt hat, herangezogen. Die Ergebnisse des Kindergrundsicherungschecks werden im Antragsverfahren jedoch nicht berücksichtigt. Es handelt sich in Bezug auf die beratende Funktion des Familienservice, über den Kindergrundsicherungscheck zu informieren, um eine Kann-Regelung. Der Familienservice ist jedoch verpflichtet, diesen durchzuführen, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Der Familienservice darf für den Kindergrundsicherungscheck nach der Einwilligung etwa Meldedaten beim Bundeszentralamt für Steuern, Einkommensdaten (z.B. beim Arbeitgeber, der Finanzverwaltung der Länder) oder auch bei der Bundesagentur für Arbeit in Hinblick auf Bürgergeld oder Arbeitslosengeld abrufen. Nach der Ergebnismitteilung soll die teilnehmende Person in verständlicher Form über das Ergebnis des Kindergrundsicherungschecks informiert und auf die begrenzte Aussagekraft des unverbindlichen Checks hingewiesen werden. Acht Wochen nach Mitteilung des Ergebnisses sind die Daten zu löschen. Der Kindergrundsicherungscheck soll in angemessen Abständen auf seine Wirkweise untersucht werden.

SoVD-Bewertung: Unsere Vorstellung von einer automatisierten Leistung war, dass die Behörden nach Einwilligung zum Datenabruf im Hintergrund tatsächlich so gut Hand in Hand arbeiten, dass die Nachweispflicht der Leistungsberechtigten gegen Null geht. Das würde in besonderem Maß Menschen entlasten, die trotz Erwerbstätigkeit auf den Kinderzusatzbetrag für ihr Kind oder ihre Kinder angewiesen sind. Gerade Alleinerziehenden fehlen meist zeitliche Ressourcen, weil sie Erwerbs- und Sorgearbeit parallel und alleine stemmen müssen. Die Folge ist oft, dass bestimmte Leistungen nicht abgerufen werden, insbesondere, wenn die Anspruchshöhe voraussichtlich gering ist. Die Folge für die Betroffenen und ihre Kinder ist verdeckte Armut. Die Kindergrundsicherung wurde in den Medien als Paradigmenwechsel bezeichnet, der Staat habe von nun an eine Bringschuld. Mit dem Kindergrundsicherungscheck kann das aus Sicht des SoVD nicht gelingen. Im Vergleich zum Referentenentwurf kam es zu einer wichtigen Verbesserung: Die Behörden sollen nun dazu verpflichtet werden, den Kindergrundsicherungscheck bei Erfüllung aller Voraussetzungen auch durchzuführen zu müssen. Zuvor war das lediglich eine Kann-Regelung. Wir begrüßen die Änderungen, allerdings bleibt es dabei, dass die Behörden für die Prüfung zwei Jahre Zeit (Einwilligungszeitraum für den Datenabruf) haben. Diesen langen Zeitraum hält der SoVD für wenig praxistauglich. Ein weiteres Manko des Kindergrundsicherungschecks: Er dient reinen Beratungszwecken. Die Ergebnisse dürfen für das Antragsverfahren nicht genutzt werden und werden nach acht Wochen gelöscht. Der Kindergrundsicherungscheck macht den Behörden also viel Arbeit, ohne dass daraus ein konkreter Nutzen für das weitere Antragsverfahren entsteht. Die Datenmenge soll so gering wie möglich gehalten werden, was vor dem Hintergrund der reinen Beratungszwecke zwar verständlich ist, aber die Aussagekraft des Checks auch enorm einschränkt. Zwar begrüßt der SoVD, dass Anstrengungen unternommen wurden, um eine höhere Inanspruchnahme des Kinderzusatzbetrages zu erreichen im Vergleich zur Inanspruchnahme der aktuellen Leistungen, befindet den Kindergrundsicherungscheck in seiner jetzigen Ausgestaltungsform dafür jedoch nur sehr begrenzt geeignet. Denkbar ist in Ergänzung auch ein Online-Rechner, den die Familien selbst nutzen können – wenn sie dem Datenzugriff nicht zustimmen wollen - um prüfen zu können, ob ein Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag bestehen könnte.

Datenabruf bei Antragsstellung auf den Kinderzusatzbetrag

Artikel 1 § 29

Bei einem laufenden Antragsverfahren auf den Kinderzusatzbetrag wird der (ehemalige) Arbeitgeber auch künftig auf Verlangen Auskunft über das Arbeitsentgelt der Antragstellenden geben müssen. Dafür kann eine angemessene Frist zur Erfüllung der Pflicht gegeben werden. Alternativ kann auch das Verfahren nach § 108c Absatz 1 SGB IV zur elektronischen Abfrage und Übermittlung von Entgeltbescheinigungsdaten genutzt werden. Eine Einwilligung seitens der Antragstellenden ist für diesen Datenabruf nicht erforderlich. Jedoch können damit nur solche Einkommen erfasst werden, die sozialabgabepflichtig sind.

SoVD-Bewertung: Die Regelung zur Datenabfrage über die Entgeltbescheinigungsdaten ist eine Kann-Regelung. Die Behörden sind also nicht verpflichtet, diese Daten abzurufen, sondern können auf papiergebundene Bescheinigungsverfahren ausweichen. Ein Anspruch darauf besteht seitens der Antragstellenden also nicht. Stattdessen gelten die Mitwirkungspflichten (§ 28 Absatz 1 sowie § 60 Absatz I SGB I) der Familiengemeinschafts-Mitglieder. Das heißt konkret: Die Nachweispflicht bleibt weiterhin bestehen und die Entgeltbescheinigungen müssen mitunter durch die Antragsstellenden weiterhin selbst erbracht werden. Der SoVD fordert, dass hier nachgeschärft und der Bringschuld eine höhere Bedeutung beigemessen wird. Auch wenn einige Behörden von dieser Kann-Regelung vielleicht Gebrauch machen werden, haben die Antragstellenden keinen Anspruch darauf. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Familien spürbar in Hinsicht auf ihre Nachweispflicht entlastet werden.

Im besonderen Teil des Gesetzentwurfs werden die Vorzüge des Datenabrufs ausführlich dargelegt: Der Verwaltungsaufwand wäre für die Behörden künftig deutlich geringer, weil die Daten aus den Einkommensbescheinigungen nicht mehr händisch in das IT-System übertragen werden müssen. Die durch das Abrufverfahren der Deutschen Rentenversicherung übermittelten Entgeltdaten hätten eine viel höhere Datenqualität als händisch ausgefüllte Arbeitgeberbescheinigungen. Das sei auch im Interesse der Familien, weil der Datenabruf für die Familien keinen zusätzlichen Aufwand bedeuten würde und die Datenübertragung der Deutschen Rentenversicherung deutlich datenschutzfreundlicher wäre, da nur tatsächlich benötigte Daten übertragen würden. Ein weiterer Grund für den Datenabruf: Arbeitgeber würden ebenfalls deutlich entlastet. Sofern es technisch noch nicht möglich ist, den Datenabruf verpflichtend vorzuschreiben, so sollte aus Sicht des SoVD doch im Gesetzentwurf ein klarer Zeitplan festgeschrieben werden, bis wann der Datenabruf zu sozialabgabepflichtigen Einkommen ausnahmslos funktionieren muss, um die Gefahr zu vermeiden, dass die Inanspruchnahme des Kinderzusatzbetrags gering bleibt.

Bewilligung

Artikel 1 § 15, 16, 17

Über den Kinderzusatzbetrag ist für sechs Monate zu entscheiden. Der Bewilligungszeitraum startet mit dem Antrag, frühestens jedoch nach Auslaufen eines laufenden Bewilligungszeitraums. Die Bewilligung erfolgt abschließend, das heißt, sich verändernde Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum können nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn die Konstellation der Familiengemeinschaft oder die maximale Höhe des Kinderzusatzbetrages durch eine Anpassung der Regelbedarfe ändern sich. Bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens des Kindes und der Eltern aus den letzten sechs Monate vor dem Bewilligungszeitraum (Bemessungszeitraum) maßgeblich.

SoVD-Bewertung: Ein einheitlicher Bewilligungszeitraum von sechs Monaten entlastet die Verwaltung, macht den Familien jedoch gleichzeitig deutlich mehr Arbeit, da häufiger Folgeanträge gestellt werden müssen. Ein weiteres Problem ist, dass die abschließende Bewilligung für sechs Monate bewirkt, dass die Einkommensänderungen zugunsten oder zulasten der Berechtigten nicht berücksichtigt werden können. Die Folge ist, dass Familien bei einer Unterdeckung Leistungen nach dem SGB II und SGB XII beantragen müssen, weil in diesem Fall der Familienservice nicht mehr zuständig ist. Für den SoVD war der Anspruch an die neue Kindergrundsicherung möglichst nur noch eine zuständige Stelle. Wir fordern daher eindringlich, dass bei verschlechterten Einkommensverhältnissen in einer Familie im Rahmen des Bewilligungszeitraums ein Antrag auf erneute Prüfung gestellt werden kann – nämlich beim Familienservice. Der Aufwand für Familien ist möglichst gering zu halten, daher ist das Hin und Her zwischen den Behörden aus Sicht des SoVD nicht hinnehmbar.

Übergangsregelungen

Artikel 1 § 55, 56

In Artikel 1 Bundeskindergrundsicherungsgesetz § 55 sollen die Übergangsregelungen für Kinder geregelt werden, die eine Schlechterstellung in der neuen Kindergrundsicherung für Kinder, die bisher den Kinderzuschlag erhalten haben, verhindert. Dieser zusätzliche Betrag von 60 Euro monatlich für Kinder vom Beginn des 15. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und 42 Euro monatlich für Kinder vom Beginn des 19. bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wird bis zum Ende des Bewilligungszeitraums des Kinderzuschlages erbracht. Die Beträge bilden die Differenz zwischen dem Kinderzuschlag und den Regebedarfssätzen im Jahr 2023 ab und müssen mit der Fortschreibung der Regelbedarfssätze für die Jahre 2024/2025 angepasst werden.

Für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres gilt für den Kinderzusatzbetrag mindestens ein Betrag in Höhe des Kinderzuschlages, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für den Kinderzuschlag erfüllt wären. Wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt würden, dann soll mindestens ein Kinderzusatzbetrag ausgezahlt werden, der der Höhe der Regelbedarfsstufen 5 oder 6 (Rechtsgrundlage 31.12.24) und dem Sofortzuschlag entspricht. Für die 14- bis 17-Jährigen und 18- bis U-25-Jährigen würde entsprechend die Regelbedarfsstufe 4 bzw. 3 herangezogen werden. Auf diese Weise sollen alle möglichen Schlechterstellungen durch die Einführung der Kindergrundsicherung vermieden werden.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt zwar, dass eine finanzielle Schlechterstellung für Leistungsberechtigte zur Einführung der Kindergrundsicherung ausgeschlossen werden soll. Die – nicht unkomplizierten - Übergangsregelungen scheinen geeignet, um dieses Ziel zu erreichen, erfordern jedoch auch einen erheblichen Verwaltungsmehraufwand bei der jeweiligen Prüfung. Eine armutsfeste Kindergrundsicherung, die mit, im Vergleich zum bestehenden System, deutlichen Leistungsverbesserungen für alle Familien einhergehen würde, würde die komplizierten Übergangsregelungen jedoch überflüssig machen. Wir bestärken daher hier noch einmal unsere Forderungen nach einer sauberen Neudefinition des kindlichen Existenzminimums und entsprechenden Leistungsverbesserungen für die Familien.

Zuständigkeit

Artikel 1 § 23, 37; Artikel 7 § 37a

Für die Administration der Kindergrundsicherung (Kindergarantiebetrag und Kinderzusatzbetrag) wird die Bundesagentur für Arbeit zuständig sein, konkret der sogenannte „Familienservice“, in deren Bezirk die Berechtigten ihren Wohnsitz haben. Der Bund trägt die Kosten. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Familienservice weisungsbefugt. Beim Bildungs- und Teilhabepaket liegt die Zuständigkeit für Teile des BuTs ebenfalls beim Familienservice – das gilt vor allem für die pauschalen Teilhabeleistungen und das Schulstarterpaket – mit Ausnahme von Wohngeld-Familien, da sind die Länder zuständig. Für die weiteren Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets, wie etwa für Transportkosten zur Schule oder Mittel für die Lernförderung von Schüler*innen, sind die Länder zuständig, die die jeweilig zuständige Behörde selbst bestimmen können. Sollten die Bedarfe des Kindes durch die bewilligten Kindergrundsicherungsleistungen nicht gedeckt sein, weil Mehr- oder Sonderbedarfe bestehen oder weil das Einkommen der Eltern sich im Bewilligungszeitraum verändert hat, so bestimmt Art. 7 § 37a Absatz 2 SGB II-neu, dass in einem separaten Antrag die Leistungsberechtigung nach dem SGB II gesondert geprüft und auch gewährt werden kann.

SoVD-Bewertung: Auch hier gilt für den SoVD: Je weniger Anlaufstellen für die Familien, desto größer die Entlastungswirkung. Und das ist die Erwartung des SoVD an eine gute Kindergrundsicherung, dass Familien spürbar entlastet werden und es künftig für alle finanziellen Belange von Familien nur noch einen Ansprechpartner gibt. Stattdessen ergibt sich beim Bildungs- und Teilhabepaket ein Sammelsurium an möglichen Anlaufstellen für die leistungsberechtigten Personen, die nicht nur zwischen den einzelnen Bildungs- und Teilhabeleistungen sondern auch zwischen den Ländern divergieren können, da die Länder bestimmen, welche Behörde mit der Durchführung beauftragt wird.

Auch bei Mehr- und Sonderbedarfen müssen sich die Familien an das Sozialamt oder das Jobcenter wenden – das gleiche gilt, wenn sich im Bewilligungszeitraum der Kindergrundsicherung die Einkommensverhältnisse der Eltern so stark ändern, dass der Bedarf nicht mehr gedeckt ist. Das halten wir beim SoVD für höchst problematisch, weil damit ein großer Mehraufwand für die Familien einhergeht und es bei den Verwaltungen zu Schnittstellenproblemen führen kann. Wir fordern daher eine Gesamtadministration der Kindergrundsicherung beim Familienservice. Sollten Eltern auch existenzsichernde Leistungen erhalten, weil ihre Einkünfte nicht zum Leben reichen, so muss in der jeweiligen Stelle ebenfalls ermöglicht werden, dass dort ein Antrag auf Kindergrundsicherung gestellt werden kann. So wäre das Jobcenter, die Wohngeldstelle oder das Grundsicherungsamt dafür zuständig, den Antrag an den Familienservice zu übermitteln.

Übertrag des Kindergarantiebetrages

Artikel 7 § 11 Absatz 1 SGB II-neu; Artikel 12 § 82 SGB XII-neu

Artikel 7 § 11 und Artikel 12 § 82 legt fest, dass der Kindergarantiebetrag zur Bedarfssicherung immer nur beim Kind berücksichtigt werden darf. Im SGB II-alt und SGB XII-alt galt bisher: Wenn das Kindergeld wegen anderer Einkünfte (z.B. Unterhalt) den Bedarf des Kindes übersteigt, darf dieses aktuell bei den Eltern angerechnet werden.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt, dass künftig der künftige Kindergarantiebetrag nicht mehr zweckentfremdet werden soll. Diese Anrechnungsmethodik führt aktuell nämlich dazu, dass höhere Unterhaltszahlungen meist ins Leere laufen, sobald der betreuende Elternteil Bürgergeld-Leistungen in Anspruch nehmen muss. Auf diese Weise wird auch sichergestellt, dass die verbesserte Anrechnung von Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss gerade bei Alleinerziehenden nicht ins Leere läuft, weil weiterhin der Kindergarantiebetrag als Einkommen bei dem alleinerziehenden Elternteil angerechnet werden kann. Daher begrüßen wir diesen Schritt und die Nachbesserung im Vergleich zum Referentenentwurf ausdrücklich.

Ausbildungsförderung

Artikel 1 § 9

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass junge Menschen, die Kindergrundsicherung beziehen, Zugang zu den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben sollen. Darüber hinaus wird geregelt, dass BAföG-Leistungen, die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und das Ausbildungsgeld vorrangige Leistungen gegenüber dem Zusatzbetrag sind. Auf den Garantiebetrag wirken sie sich jedoch nicht leistungsmindernd aus. Zusätzlich wird geregelt, dass, so lange das Amt für Ausbildungsförderung noch nicht über den BAföG-Antrag entschieden hat, ein Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag besteht.

SoVD-Bewertung: Die Regelung, dass junge Menschen, die Kindergrundsicherung beziehen, Zugang zu den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung nach dem SGB III haben sollen, ergibt sich dadurch, dass der Kinderzusatzbetrag junge Menschen aus dem SGB II-Bezug holen soll. Das wird zwar in den meisten Fällen erreicht, jedoch nicht konsequent, wenn sich beispielsweise im Bewilligungszeitraum Änderungen bei den Eltern ergeben. Es ist jedoch bereits von der Bundesregierung geplant, dass zukünftig alle Unter-25-Jährigen von der Bundesagentur für Arbeit betreut werden und ihnen somit auch alle Leistungen nach dem SGB III zustehen sollen. Diese Regelung begrüßt der SoVD. Denn aus unserer Sicht findet die bestmögliche Betreuung (junger) Arbeitsloser bei den Agenturen für Arbeit statt. Wichtig ist jedoch, dass für diese neue Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit mehr Geld mittels eines auskömmlichen Bundeszuschusses zur Verfügung gestellt und diese Regelung zeitnah umgesetzt wird. Denn auch bei der Ausbildungsförderung gilt, dass uns jedes Kind bzw. jeder junge Mensch gleich viel wert sein muss, egal aus welchem Haushalt die Person kommt.

Sehr zu begrüßen ist, dass bei noch nicht bewilligtem BAföG-Antrag ein Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag besteht. So wird sichergestellt, dass es hier keine finanzielle Lücke gibt.

Mehrbedarfsregelung

Artikel 7§ 21 Absatz 7 SGB II-neu; Artikel 7 § 22 und § 30 Absatz 7 SGB XII-neu

Mit Einführung der Kindergrundsicherung sollen Kinder mit dem Kinderzusatzbetrag auch eine Wohnkostenpauschale erhalten, wie er sich auf dem jeweils aktuellen Existenzminimumbericht der Bundesregierung ergibt. Mehrbedarfe, z.B. bei einer dezentralen Erzeugung von Warmwasser, werden im Rahmen der Kindergrundsicherung jedoch nicht gewährt. Es besteht dann Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII. In § 21 Absatz 7 SGB II-neu wird geregelt, dass die Aufwendungen aller im Haushalt lebenden Personen Berücksichtigung finden. Der Mehrbedarf soll künftig für jede im Haushalt lebende Person jeweils 2,3 Prozent der für sie geltenden Regelbedarfsstufe betragen.

SoVD-Bewertung: Für Kinder werden in aktuellem Recht bei Kindern in den verschiedenen Altersstufen nur ein Mehrbedarf von 0,8 bis 1,4 Prozent gewährt. Der SoVD begrüßt ausdrücklich, dass die 2,3 Prozent Mehrbedarfs-Anerkennung nun für alle Haushaltsmitglieder, unabhängig vom Alter, gewährt werden soll und hält die Regelung für sachgemäß. Denn Familien mit Kindern haben einen deutlich erhöhten Warmwasserverbrauch und diesem Umstand wird mit der Neuregelung Rechnung getragen.

Horizontale Anrechnung von Einkommen im SGB II

§ 9 SGB II

Auch künftig soll die sogenannte horizontale Berechnungsmethode der Bedarfe einer Bedarfsgemeinschaft gelten. Das heißt konkret: Das Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wird bedarfsanteilig auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Zunächst wird das eigene Einkommen zur Bedarfsdeckung herangezogen; nur überschüssiges Einkommen, das nicht zur Bedarfsdeckung benötigt wird, kann beim Partner oder der Partnerin angerechnet werden.

SoVD-Bewertung: Die horizontale Einkommensverteilung auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hat zur Folge, dass bei veränderten Einkommensverhältnissen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft alles neu berechnet werden muss – mitsamt aufwändiger Erstattungsverfahren. Beim SoVD fordern wir seit vielen Jahren, dass die vertikale Berechnungsmethodik aus dem SGB XII in das SGB II übertragen werden muss. Im Referentenentwurf war diese Umstellung noch vorgesehen, nun wurde sie wieder zurückgenommen. Wir fordern, dass eine entsprechende Regelung im § 9 SGB II-neu wieder verankert wird.

Berlin, den 3. November 2023

DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik